Mittwoch, 16. März 2011

Der Rest meines Blogs von 2010

Kaum hatte ich mich von der Gruppe losgelöst, schon konnte ich erleben, wie sich eine intensivere Kommunikation mit meinen Mitpilgern einstellte. So kam es, dass ich als Einzelperson plötzlich weniger Zeit für Internet-Blogs und sonstige Aktivitäten investieren wollte, als noch zuvor in der sicherlich auch sehr netten Gruppe. Unterwegs entschloss ich mich dann auch irgendwann, meine Blogs von dem Jakobsweg einzustellen und an dessen Stelle das Leben auf und mit diesem Camino so zu genießen und zu verinnerlichen, wie es kam und wie es sich in mein Herz und meine Erinnerung einbrannte.
Letztlich bin ich nach ein paar wunderschönen, gemeinsamen Tagen mit Christian Castro noch die letzten Kilometer "meines" Jakobsweges bis nach Hospital de Orbiego gelaufen. Von hier aus musste ich leider meine Heimreise antreten, um pünktlich Joachim in Santiago zu treffen und mit ihm nach Madrid zu fahren. Joachim hatte den Weg alleine in drei Wochen abgefahren, diesen noch bis zum Finisterre und zurück verlängert, um anschließend auf einem Campingplatz kurz vor der Stadt auf mich zu warten.

Für mich wurde zum Schluss der Weg zunehmend wichtiger als das Ziel Santiago de Compostela. Viel zu schön war es für mich, die vielen Menschen zu kennen, mit ihnen schöne Dinge zu erleben und letztlich mich neu kennen und schätzen zu lernen.

Dennoch schwor ich mir in Hospital de Orbiego, im Folgejahr dorthin zurückzukehren und die noch fehlenden 270 Kilometer nach Santiago de Compostela zu laufen.

Letztlich zehrte ich von den Lehren, den Erfahrungen, den Veränderungen in meiner Persönlichkeit und an meinen Einstellungen so sehr, dass sich mein ganzes Leben nachhaltig veränderte.


Freitag, 4. Juni 2010

Fußweg Jakobsweg - Tag 7 in Najera

Deutsche Esotheriker sind auch nur Deutsche. Pünktlichkeit, Disziplin, Genauigkeit und strikte Einhaltung aller Regeln sind nun einmal Deutsche Werte. Die gelten natürlich auch im Ausland. Selbst im sonst eher etwas weniger genauen Spanien.

Wofür diese Einleitung? Der Morgen in Ventosa unter deutscher Lagerleitung begann wie in jeder Herberge: ab fünf Uhr machten sich die ersten Pilger fertig. Als die Unterhaltungen im Bad gegen zehn Minuten vor sechs Uhr zu laut werden, wird seitens der Herbergsleitung streng und unfreundlich für Ruhe gesorgt. Na endlich haben die Nachtpilger mal eins auf die Mütze bekommen! Um Sechs passiert dann das Unerwartete: mit unbeschreiblicher Lautstärke schallt Mönchsgesang durch das Haus.Weihrauchduft breitet sich in den Räumen aus. Mit jeder Minute sehe ich mich immer deutlicher in den Schlagzeilen Spanischer Medien. Nach exakt 30 Minuten hört der Spuk auf. Deutlich leiser versucht Mozart mit seiner Musik, die Gemueter wieder zu besänftigen. Ich bin mir derweil ziemlich sicher, eine Super-Compostella zu benötigen, falls ich jemals dieser Frau begegnen sollte. Deshalb packe ich meine Sachen sehr schnell zusammen, nehme meine Stiefel mit auf die Straße und ziehe sie mir erst dort an.
 

Nach vier Kilometern ist meine Wut verflogen. An einem schönen sonnigen Plätzchen in einer Heide-ähnlichen Landschaft mache ich mir jetzt erst einmal mein Früstück: Milchreis mit Kaffee. Danach lege ich mich in die Sonne, genieße die Ruhe und die Stimmen der vorbeiziehenden Pilger. Während ich so auf die Gruppe warte, scheint mich der abgebrochene Nachtschlaf einzuholen. Erst die markante Stimme von Anna aus Neuseeland weckt mich wieder auf.

Bald darauf habe ich die Gruppe im Eingang eines kleinen Ortes eingeholt. Im schattigen Garten einer noch geschlossenen Bar machen wir Pause und teilen unsere essbaren Habseligkeiten. Gerade, als wir fertig sind, macht die Bar auf und wir gönnen uns noch einen Kaffee.
 

Kurz hinter dieser Bar geht der Weg durch eine Furt oder etwas versteckt über eine Brücke. Ich filme die Gruppe von der anderen Seite, wie sie auf die Furt zukommt, verzweifelt nach Alternativen sucht und schließliich die einzelnen Mitglieder vor Entscheidung stellt, welchen Weg sie nehmen wollen. Nur Mareike wagt den Weg durch die vier Zentimeter tiefe, wenig reißende Strömung. Hinterher fand ich es sehr interessant, zu erkennen, dass der Weg durch die Furt für mich so selbstverständlich und akzeptabel war, dass ich nach gar keinen Alternativen gesucht habe. Ich gehe davon aus, den Kommentar von G. zu dieser Aktion schon zu kennen...

Die letzten Kilometer bis Najera verfliegen schnell. Dort nehmen wir uns eine Herberge mit nur 10 Betten, die wir nur mit zwei weiteren Pilgern teilen: einem unnahbaren, grummeligen Typen (wahrscheinlich Deutsch) und Christian Castro. 
 

Christian kommt fließend spanisch plappernd als die personalisierte Aufgeschlossenheit in den Raum.





Bald darauf schwärmen wir wieder aus: Vorgeschickten Rucksack von Patricia holen, auf die Wiese am Flussufer zum (Sonnen-)Baden, Erzählen und Tagebuchschreiben und auch, um schon mal den Ort für die Abendgestaltung zu erkunden. Die lustige Runde wird erst durch Jannekes Anruf zur Räson gebracht: Der Herbergswirt hat um 22:00 einen Kontrollgang gemacht und dabei ärgerlich festgestellt, dass ein wesentlicher Teil der Betten noch leer war.

Ein wirklich schöner Tag, den die Hergswirte nur unwesentlich beeinflussen konnten.

Fußweg Jakobsweg - Tag 6 in Ventosa

Früh um fünf Uhr herrschte wieder wilde Aufbruchstimmung in der Herberge. Um halb Sieben hat sich dann auch unsere Gruppe zum Frühstück versammelt. Allerdings habe ich mich schon am Abend zuvor von dieser frühen Aktion abgemeldet. Um acht Uhr zwanzig verlasse ich tatsächlich als Letzter die Herberge. Hinter mir schließt eine charmante Polizistin die städtische Unterkunft zu.


Die ersten zehn Kilometer führen durch eine wunderschöne, dunstige Morgenlandschaft nach Logrono. Ich mache einige Fotos, komme dadurch jedoch nicht so recht voran. 



Zwei Stunden später erreiche ich das unter Pilgern recht berühmte Haus der Dona Felisa.

Bis zu Ihrem Tod vor wenigen Jahren stand sie täglich an der Strecke und versorgte die Pilger gegen eine kleine Spende mit Getränken und dem sehr beliebten Stempel für den Pilgerpass (Credential). Inzwischen hat ihre Tochter Maria diese Aufgabe übernommen.







 








Als ich in das sehr einfache Haus der Maria komme, herrscht dort eine angenehme kühle Dunkelheit. Den angebotenen Kaffee nehme ich gerne an, währenddessen stempelt Maria mein Credential ab und setzt noch einen Stempel in das Tagebuch von A. 
 
Von Logrono bin ich nicht so richtig begeistert. Hier wird wie wild abgerissen und saniert, um die charmante Morbidität einer alten Spanischen Stadt in Lebensqualität für ihre Bewohner umzuwandeln.










Immerhin gibt es in Logrono fast am Wegesrand des Jakobsweges (Camino) ein Decathlon. Hier bekomme ich endlich das Gas für die Campingküche. Auch kann ich den Vorrat an Wandersocken um zwei Paar aufstocken, sowie das am Vortag an Unbekannt 'ausgeliehene' T-Shirt ersetzen.

 


Auf dem Weg aus der Stadt hinaus fällt mir immer wieder auf, dass Kinder in Spanien eine unheimlich hohe Priorität in der Freizeit-, Stadt- und Landschaftsplanung erfahren. Zwar ähneln einige Vororte durchaus französichen Banlieus, sind aber freundlicher, mit riesigen Spielanlagen ausgestattet, die auch sehr intensiv von Kindern und Eltern genutzt werden. Videospiele und Nintendos gibt es hier bestimmt auch. Aber die Herrschaft über das Sozialleben haben sie scheinbar noch nicht erlangt.

Auf dem weiteren Weg fordern zwei dicke Blasen an meinen Hacken ihren ersten Tribut: Ich bin scheinbar unbemerkt vor einigen Kilometer in eine ungesunde Schonhaltung zugunsten geringerer Auftrittschmerzen übergegangen. Während ich die jetzt plötzlich auftretenden Knieschmerzen durch eine Korrektur meiner Laufhaltung wieder in den Griff bekomme, macht mir eine leichte Ubersäuerung meiner Oberschenkelmuskeln mehr zu schaffen. Nach 25 km bin ich in Navarete kurz davor, die Verabredung mit der Gruppe in dem nächsten Ort - Vendosa - abzusagen. Letztlich motiviere ich mich aber doch noch dazu, diese letzten 7,4 km zu laufen. Auf diesem letzten Segment hat mich ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit der Spanier überrascht: Der Weg führte gerade mal wieder parallel zu einer etwas lauten und staubigen Landstraße. Als ich dort mangels Sitzgelgenheit über meinen Stock gebeugt eine kurze Pause machte, fuhr ein LKW hupend an mir vorbei und der Fahrer winkte mir aufmunternd zu! Bald fand ich im Sand des Weges die ersten noch sehr frischen Spuren der letzten Gruppenmitglieder. Entsprechend wuchs in mir die Lust, die Truppe noch einzuholen Letztendlich gelang mir das erst um kurz vor neun Uhr in der Herberge, wo die Letzten gerade erst angelangt waren.

Wir unterhielten uns noch ein wenig im Garten der Herberge, vergaßen dabei etwas die Zeit.