Donnerstag, 19. Januar 2012

20.04.2011 (K)Ein Ruhetag - In Etappen nach Caldas de Reis

Wir starten in aller Ruhe und recht spät. Der Weg zu dem Jakobsweg führt uns noch einmal durch das Stadtzentrum von Pontevedra. In der Markthalle am Flussufer genießen wir die vielen Farben und Gerüche. Es ist schön, diesem Gewusel zuzusehen. Neben den Meerestieren jeglicher Art und verschiedensten Früchten werden an diesem Mittwoch viele Blumengestecke verkauft. P. und ich fotografieren, was die Chipkarte hergibt. Dann aber heißt es, von Pontevedra Abschied zu nehmen. Zu unserem heutigen Etappenziel Portela sind es zwar nur 10 Kilometer, aber wir wollen unser Glück mal vorsichtshalber nicht überstrapazieren. Unterwegs bekommen wir ein hübsches Kontrastprogramm geboten.
Schon kurz hinter Pontevedra liegt der mittelalterliche Ort Gándara und bei Pedra Picada betreten wir wieder einmal römisches Straßenpflaster. In einem kleinen Sumpfgebiet in der Senke vor dem Ort Alba machen wir an einem Vogelbeobachtungsplatz Halt. Während unserer kleinen Pause unterhalten wir uns ein Weilchen mit einem polnischen Pilgerpaar, bis uns unsere unterschiedliche Zeitplanung wieder voneinander trennt. Nur kurz nach diesem Halt quälen wir uns den Berg hinauf, kreuzen die Eisenbahnstrecke und stehen plötzlich vor einer mittelalterlichen Kirche. Auf einer der Bänke sitzt ein älterer, freundlicher Herr. Zufrieden lächelnd lässt er die Pilger kommentarlos an sich vorbeiziehen. Ist mal eine Pilgerin à la P. etwas kuschelbedürftiger, dann nimmt er sie auch gerne mal auf seinen Schoß und lässt sich dann mit ihr ablichten. Er erlebt sicherlich viel an diesem Ort. Nur davon erzählen, das kann er leider nicht. Denn er ist aus Granit geschlagen.

In Portela finden wir ein ehemaliges Schulgebäude vor. Die zentral gelegenen Nasszellen werden von zwei ehemaligen Schulräumen flankiert, in denen auf dem Boden einige schmutzige Matratzen liegen. Alles wirkt sehr verlassen. Mittels unserer Ponchos isolieren wir die sorgfältig ausgewählten zwei schönsten Matratzen von unseren Schlafsäcken. Ich liege bald darauf in meinem Bett und genieße eine kurze Mittagspause. Bald jedoch meldet sich P.'s Hunger. Wir kochen Penne in scharfer Tomatensauce mit Pilzen und Gurken. Nach dem Essen fühlt sich P. ausgeruht und will weiterlaufen. Wir sind uns bewusst, dass wir ein hohes Risiko eingehen, sowohl in der Herberge von Briallos als auch in Caldas de Reis keinen Platz mehr zu finden.

Bei Porráns erreichen wir unsere erste wichtige Wegmarke auf dem Jakobsweg: den 50km-Stein!

Schon seit ein paar Tagen beobachteten wir Pfadfinder, die den Jakobsweg ohne Gepäck bewanderten. Mit locker übergezogenen Tagesrucksäcken humpelten die Mädels und Jungs mal vor und mal hinter uns her. So beobachteten wir unter Anderem in einem kleinen Ort ein interessantes Phänomen: Die Jugendlichen erhalten iihre Verpflegung aus einem Begleitfahrzeug aus welchem auch die Rucksäcke herauslugen! Wie stolz doch P. auf sich und ihre Leistungen sein kann, zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Kilometer auf eigenen Füßen ihre gesamtes eigenes Gepäck getragen zu haben. Wie beschämend auf der anderen Seite für die Pfadfinder, sich die Compostela auf diese Art zu erschleichen! In Briallos jedoch machen uns die Pfadfinder gerade mal einen Strich durch die Rechnung. Erschöpft, mit schweißnasser Kluft und hochroten Köpfen stehen sie an der Rezeption von welcher an uns nur noch die Rückmeldung kommt, dass für uns kein Platz mehr da ist. Ich bin stinksauer. Denn gerade diese Herberge ist explizit nicht für größere Reisegruppen vorgesehen.

Nachdem ich und ein paar weitere Pilger ein wenig Dampf abgelassen haben, beraten P. und ich unseren weiteren Plan. P. ist guter Dinge, die folgenden fünf Kilometer nach Caldas de Reis auch noch zu schaffen. Vorsichtshalber reserviere ich schon telefonisch ein Hotelzimmer. Also ziehen wir los, folgen einem wunderschönen Weg, der sich durch die Weingärten der Vororte von Caldas de Reis schlängelt und erreichen am frühen Abend den recht nett wirkenden Kurort. Die Suche nach dem Hotel gestaltet sich etwas hakelig, so dass der wirklich tapferen P. noch ein kleiner Irrweg durch die Stadt zugemutet wird. Dafür treffen wir im Hotelrestaurant während des Eincheckens unsere deutschen Freunde um Charlotte aus Redondela wieder. Wir verabreden uns locker für den Abend. Denn ich bin mir nicht mehr so sicher, ob P. noch viel Lust auf Abendprogramm hat.Wir beziehen ein wunderschönes Zimmer mit Stofftapeten und vergoldetem Mobiliar. Das Bad verspricht ausreichend Möglichkeiten, den Schmutz der Straße sowohl vom Körper als auch aus der Kleidung zu waschen. P. ist tomüde, will dann auch tatsächlich nicht mehr aus dem Zimmer. Mich hingegen quälen Hunger, Durst auf einen kalten Rotwein und natürlich die Sucht nach etwas Stadtleben. Wir einigen uns, dass sie im Hotelzimmer bleibt und ich ihr auf dem Rückweg noch etwas zu Essen mitbringe.

An diesem Abend gibt es für mich leckere, in Knoblauch-Olivenöl und Meersalz gebackene Pulpos sowie Calamari. Der Rotwein danach wird von einem Fußballspiel versüßt, dass selbst mich alten Fußballphlegmatiker auf die Pläne ruft: Im Copa del Rei spielen Real Madrid gegen den FC Barcelona. In der Kneipe und in der ganzen Stadt herrscht Hochstimmung, die bei jedem Ballbesitz durch Messi in laute Begeisterungsschreie eskaliert. In der Verlängerung gewinnt Madrid, die Stimmung ebbt sofort ab.

Auf dem Rückweg treffe ich zufällig P., die gerade aus dem Hotel gegangen ist, um mich zu suchen. Dieser kleine Schrecken an diesem schönen Abend hat mich dann doch recht schnell wieder auf den Boden zurückgeholt!



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