Freitag, 21. Mai 2010

Fussweg Jakobsweg - Tag 3 in Estella

Nachdem ich mich von Werner verabschiedet habe, geht der Weg durch das Pilgertor aus dem Ort hinaus. Ziemlich schnell sind alle Sorgen über eine mögliche Regentour vergessen. Die Sonne scheint durch die immer spärlicher werdenden Wolken und die Landschaft um mich herum glänzt in dem explodierenden Frühling grün.

In Puente la Reina suche ich sofort die Post auf, um die für unnötig befundenen Gegenstände postalisch nach Santiago de Compostela vorzuschicken. Neben dem Zelt, Teilen der Küche und einigen Klamotten wird auch die Literatur bis auf den Pilgerführer vom Stein-Verlag komplett weggeschickt. So kommen inklusive des recht großen Kartons fast sieben Kilo Fracht zustande, die ich ansonsten hätte auf meinen Schltern tragen müssen.

Weiterhin ist Puente la Reina einer der Orte, an denen im 11. Jahrhundert Pilgerbrücken eingerichtet wurden, die nicht nur den Pilgerboom der damaligen Zeit zu bewältigen hatten. Über die letzten 10 Jahrhunderte galten diese Pilgerbrücken als ein wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur, weshalb auch die meisten Orte entlang der Jakobswege recht schnell wirtschaftliche Erfolge verzeichnen konnten.

Der Fairness halber muss aber noch hinzugefügt werden, dass die originalen Pilgerwege zu einem nicht geringen Teil über römische Straßen und Brücken führten, die z.T. auch noch deutlich unter den Füßen spürbar sind.


Auf diesem Weg treffe ich in einem kleinen Ort zum ersten Mal über Patricia aus England, Anna aus Neuseeland und Lukas aus Deutschland. Auch Brian samt seiner Koreanischen Damenmannschaft taucht immer wieder vor mir auf. Nach kurzen Unterhaltungen führt mich der Weg erst einmal weiter in Richtung Estella. Kurz vor Estella bleibe ich gerade an einem Wegweiser stehen, als sich die gesamte Truppe wieder einfindet. Ausserdem ist Mareike aus Bremen und Janneke aus Appeldoorn mit dabei. Intuitiv suche ich mir die gleiche Herberge aus, wie der Rest dieser Gruppe. Mein Vorgehen bei der Auswahl ist recht einfach zu begründen: Die Herberge "ANFAS" wird zusammen mit geistig Behinderten Menschen geführt. Diese tatsache spricht für einen persönlichen Umgang und Freundlichkeit. Womit ich nicht gerechnet hatte, sind noch zwei wesentliche weitere Vorzüge dieser Herberge:

1. Scheinen viele Pilger nicht wenig Angst vor Berührung mit Behinderten zu empfinden. Der Typus "Routinepilger" findet sich hier nicht ein. Im Gegensatz zu der im gleichen Zeitraum randvollen städtischen Herberge sind hier noch betten frei!
2. Ist hier bis um Acht Uhr Morgens Nachtruhe angesagt. Die Nachtpilger à la Formel 1 haben somit keine Chance auf Mitternächtliche Selbstentfaltung. Entsprechend sauer brausen zwei dieser Pilger, die bei der Herbergswahl diesen Punkt übersehen hatten, am kommenden Morgen um Punkt Acht Uhr aus der Herberge. Deren Gesicht ähnelt in dem Moment den Gesichtern, die ich ansonsten nur Morgens auf dem Weg zur Arbeit sehe.

Wir entschliessen uns, ein "Multi-Kulti"-Essen zu veranstalten. Brian mit seinen Damen kauft zu diesem Zweck für ein Koreanisch-Asiatisches Essen ein, während wir für Nudeln á la "Giovanni" einkaufen. Giovanni ist eine hochattraktive 69-jährige Dame aus Modena in Italien, und findet es überhaupt nich lustig, dass unsere weniger Italophilen Gruppenmitglieder ihren Namen ständig vermännlichen. Dennoch koordiniert sie brav den Kochvorgang. Das anschliessende gemeinsame Essen weist mir eine neue Spezifizierung meines Abnahmezieles für den Jakobsweg: Der Betrag 7 Kg bleibt. über das Vorzeichen rede ich erst zum Ende...

Der Abend wird etwas länger. Entsprechend sind wir alle über die verlängerte Nachtruhe erfreut.

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