Dienstag, 3. Mai 2011

17.04.2011 Wir gewöhnen uns an uns und den Camino

Eine Kolumbianerin und zwei Männer, die mit ihr wandern, hatten bereits seit vier Uhr rumort. Um sechs Uhr hatte das betont "leise" Flüstern dann eine Lautstärke erreicht, die jeglichen Gedanken an weiteren Schlaf ad Absurdum führte. Mit der Eleganz und Energie einer kältestarren Eidechse krochen wir langsam aus unseren Betten, machten unser Frühstück und waren rechtzeitig zum Sonnenaufgang am Ortsausgang. Vor uns breitete sich eine wunderschöne, im Dunst warm beleuchtete Parklandschaft aus, durch die wir noch ein wenig fotografierend stromerten, bevor uns der Weg endgültig durch die Vororte von Tui in den ersten Wandertag unseres Jakobsweges führte.
Bald darauf betraten wir eine schöne, recht hügelige Waldlandschaft, deren Eukalyptusgeruch uns tief und zufrieden durchatmen ließ. Wir genossen unsere neue Umgebung, während P. mich mit vielen Fragen und Feststellungen löcherte. Der Wortschwall war derart gewaltig, dass ich nach der ersten Hälfte dieses Weges bezweifelte, ob ich auf diesem Jakobsweg überhaupt ausreichend Ruhe und Entspannung für meine Gedanken finden würde. P. bekommt deshalb einige, weniger geduldige Worte von mir zu hören. Der einsame Pilger muss sich offenbar erst noch an seine, ihm doch so liebe Begleitung gewöhnen...

Weniger gewöhnungsbedürftig war das erneute Inkrafttreten der Gesetze des Jakobsweges. Während wir gemächlich unseres Weges ziehen, passieren wir ein junges Pärchen aus Portugal, welches an einem Getränkeautomaten Erlösung von den zunehmend unangenehm werdenden Temperaturen sucht. Keine fünf Minuten stampfen beide im D-Zug-Tempo an uns vorbei den Berg hinauf. Ihr ist dabei deutlich anzusehen, dass sie am Rande ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit unterwegs ist. Ich sage deshalb zu P., dass wir diese beiden Pilger noch des Öfteren zu sehen bekommen werden. So ist das auch. Schon an der nächsten Rastmöglichkeit stehen beide dampfend und erholen sich von ihrem Teufelsritt über die Hügel. Wir werden an diesem Tag noch zweimal von beiden überholt. Zu guter Letzt ist kurz vor O Porino ein Industrigebiet zu durchlaufen. Das Highlight dieser Strecke ist eine gut zwei Kilometer lange, schnurgerade und schattenlose Straße, die kurz vor der größten Mittagshitze zu bewältigen ist. P. leidet, hält aber erstaunlich gut durch. Unsere Portugiesen fallen Minute für Minute ab und letztlich sitzen P. und ich fast zehn Minuten in der schattigen Bar eines Vorortes von O Porino, als die Beiden mit hochroten Köpfen einkehren und sich zu uns an den Tisch setzen.

Wir nehmen recht schnell Kontakt miteinander auf. Der einundzwanzigjährige Portugiese, Joao, spricht ein wenig Deutsch, das er während eines Auslandssemesters in Istanbul gelernt hat. Zudem sprechen beide hervorragend Englisch. P. und Joana nehmen sehr schnell intensiven Kontakt auf. Bald ist das UNO-Spiel aus dem Rucksack auf dem Tisch und die drei Youngster spielen Karten, während ich mich etwas entspanne und der "Rockergruppe" am Nachbartisch bei ihren Unterhaltungen zuhöre. Interessant ist für mich, dass es offenbar in Spanien als cool gilt, Englisch beschriftete T-Shirts zu tragen. Mein Tischnachbar trägt zum Beispiel ein T-Shirt, dessen Sinn ich innerhalb der Pause nicht erfassen konnte.

Die ersten Meter laufen wir vier gemeinsam weiter, bis die beiden wieder mit ihrem Spurt- und Stopp-Spiel loslegen. Letztlich sind P. und ich keine fünf Minuten vor der Siesta der Herberge von O Porino beim Check-In und können uns in Ruhe ein schönes Bett suchen, duschen und Wäsche waschen. Währenddessen laufen unsere Pilgerpartner auch langsam ein.

Abends spielen P. und die beiden Portugiesen noch ein wenig UNO, während ich mich mit Antonius, dem Deutschen von der Brücke zwischen Valenca und Tui, unterhalte und mich meinen Aufzeichnungen widme.

Als P. und ich nach einem spät-abendlichen Spaziergang durch den Ort zurückkommen, begegnet uns im Schlafraum freundlich lächelnd die Kolumbianerin mit einem ihrer Begleiter.

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