Donnerstag, 21. April 2011

15.04.2011 In Portugal

Mit inzwischen 50 Jahren geht eben einiges nicht mehr ganz so schnell. Für diesen ersten Tag meines neuen, recht biblisch anmutenden Alters möchte ich diese Ausrede mal einfach so gelten lassen. Letztendlich ist dieser Vormittag etwas hektischer, als ursprünglich geplant. Ich habe nach einem sehr späten Feierabend am Vortag einfach zu viel in diesen Freitag geschoben. Gegen kurz vor dreizehn Uhr lassen P. und ich uns von P.s Mutter zum Flughafen fahren. Zehn Minuten nach der dortigen Ankunft sind wir bereits durch das Check-In und die Sicherheitskontrolle, haben sogar schon den weiten Weg zum Gate 36 hinter uns. Gefühlt ist danach die erste Hälfte des Jakobsweges abgelaufen. Flughafen-Insider werden mich an dieser Stelle verstehen, den anderen wünsche ich diese Erfahrung nicht...


Auf dem Flug passieren wir Paris, lassen die Französische Atlantikküste links liegen und erreichen das Spanische Festland erst wieder kurz vor Santiago de Compostela. Nach noch nicht einmal zweieinhalb Stunden haben wir Porto erreicht.
Mit der freundlichen Hilfe der Dame von der Touristeninformation lassen wir uns eine Bahnverbindung nach Barcelos heraussuchen, hetzen zu der hochmodernen Metro von Porto und lassen uns von dieser gute 35 Minuten durch die verfallenden Vororte Portos kutschieren. Am Hauptbahnhof verbleiben uns noch gute sieben Minuten für das Umsteigen in den Zug nach Barcelos, ein Vorhaben, das Kennern des Hauptbahnhofs von Frankfurt eventuell den Angstschweiss auf die Stirn treibt, in Porto aber ähnlich zügig abläuft, wie am Mainzer Hauptbahnhof...

Im Zug werden wir mit unserem Gewissen konfrontiert: Geplant war, den Caminho Portugues in Barcelos zu beginnen, dann auf den ersten 80 Kilometern bis Tui Formabhängig die eine oder andere Etappe mit Bus oder Bahn zu überbrücken. Nur fährt dieser Zug nicht an dem Jakobsweg entlang, sondern verlässt diesen nach Barcelos, um die Berge entlang des Atlantiks zu umfahren. Erst bei Valença, 4km vor Tui kreuzen sich Bahnstrecke und Camino wieder. Wir entscheiden uns, erst einmal weiter zu fahren. Auf der Strecke entscheiden wir uns dann final, erst in Valença auszusteigen und die dortige Herberge aufzusuchen. Dadurch werden wir ausreichend Zeit haben, um die verbleibenden 104 Kilometer ohne Inanspruchnahme eines Bus-, Taxi- oder Bahntransportes ablaufen zu können.

Als wir in Valença den klimatisierten Zug verlassen, schlägt uns eine warme, blumig duftende Frühlingsluft entgegen. Wir geniessen den Weg zu der Herberge, in der uns eine Besonderheit erwartet: Die Schlafräume sind nach Männlein und Weiblein getrennt. Holländische Pilger machen uns auch auf die obligatorische Einhaltung dieser Regel aufmerksam. Anders sieht es im Damenschlafsaal aus: Italienischen Pilerinnen erkennen sofort unsere Situation und eventuell auch die Chance, für eine Männerquote in dem Schlafsaal zu sorgen und "zwingen" mich fast schon zu einem Verbleib in ihrer Kammer. Nach dem Bettenbau machen P. und ich uns auf den Weg, in der Nähe des Bahnhofs noch etwas Essen zu bekommen. Portugiesen scheinen im Verhältnis zu Spaniern deutlich spiessiger die Essenszeiten einzuhalten: Um viertel nach Neun sind wir die letzten, Gäste mit Essenswunsch. Nach der schnellen Mahlzeit erreichen wir noch rechtzeitig vor der Schliessung unsere Herberge, können sogar noch etwas mit den freiwilligen Hospitalleros erzählen. Die ersten Pilger, mit denen wir in dieser Herberge Kontakt haben sind Dac und Valeria aus Brasilien. Dac leidet nach einer etwas zu schwungvollen Sturm- und Drangzeit unter heftigster Arthrose und kann sich nur mit Mühe auf zwei Krücken vorwärts bewegen.

An diesem Abend fällt die Hektik der Vortage spürbar von mir ab. Ich fühle mich wieder zu Hause. Zu Hause auf dem Camino.

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