Mittwoch, 18. November 2009

Der Jakobsweg

Sommer 2005. Über uns ein blauer Himmel, um uns das Wasser der Loire. Vor uns tauchen die ersten Gebäude der Stadt Nevers auf, kurz darauf geht garnichts mehr: Die Loire ist hier fast so breit wie der Rhein bei Basel, aber an diesem Sommertag nur 15 cm tief. Vorsichtig schieben wir unseren Kanadier über das Flach, bis wir unmittelbar unterhalb der Altstadt wieder ausreichend Wasser unter unserem Kiel haben, um die letzten Meter zu paddeln. Bald danach landen wir an und organisieren unsere Übernachtung auf dem Campingplatz unmittelbar neben der schönen alten Loire-Brücke.

Jetzt fallen mir zum ersten Mal auch die Täfelchen mit der stilisierten Jakobsmuschel auf. Bisher kannte ich den Jakobsweg noch nicht, muss aber auch zugeben, dass ich als Ethiker und Freidenker die Pilgergewohnheiten der Menschen eher als religiöse Verzweiflungstaten einstufte. Während dieser Reise kamen wir noch an weiteren Orten vorbei, die als Stationen der Jakobswege schon sehr lange eine Rolle spielen. Wie aber in jedem Urlaub, kam dann irgendwann die Heimfahrt und danach das Vergessen.

Das heißt: Beinahe wäre das Vergessen eingetreten. Denn, wie der Zufall es will, sah ich kurz darauf einen Bericht im Fernsehen über junge Leute, die sich aus allen Teilen Europas auf den Fuß- und Radweg machten, um nach Santiago de Compostela zu pilgern. Jetzt flammte zum ersten Mal ein Verständnis für diese besondere Art des Reisens auf. Bei keinem der Menschen herrschte Hektik oder Unbehagen. Die offensichtlichen Härten der Strecke schienen diese Menschen überhaupt nicht zu stören. Sie gingen ausgeglichen und mit einem sehr ruhigen Rythmus ihres Weges.

Nachdem Hape Kerkeling mit seinem "Ich bin dann mal weg" einen Trend gesetzt hatte, war mein Interesse an diesem Thema auch schon wieder zurückgegangen. Aber: Es loderte hin- und wieder auf. Besonders in Momenten, in denen es mir persönlich nicht so gut ging und ich mir überlegte, wie ich am besten zu einer Einheit zwischen meiner Psyche und meinem Körper zurückfinden kann.

Auch dieses Mal beruhigte sich dieses Interesse mit dem Lauf der Zeit, bis mich im September 2009 ein Bekannter fragte, ob ich Lust habe, mit ihm in 2010 den gesamten Weg mit dem Fahrrad zurückzulegen. Ich sagte sofort zu. Offensichtlich war dieses die Chance, aus all den Gedanken und Überlegungen Realität werden zu lassen. Am letzten Wochenende sprach er mich an, ob meine Zusage immer noch ernst gemeint sei. Ich sagte ihm zu und wir stiegen in die ersten Planungen für die Tour ein.

Im Augenblick sind wir gerade damit beschäftigt, die Strecke festzulegen. Sehr wahrscheinlich werden wir den Weg über das Massiv Cetral nehmen. Dieser Weg ist im Moment unser Favorit, weil er am kürzesten und auch wahrscheinlich am schönsten ist. Immerhin dürften hier nicht ganz soviele Wohnmobil-Pilgerer unseren Weg kreuzen und die Übernachtungen sind sicherlich auf diesen Strecken ebenfalls kein Thema.

Diese Route entspricht aber auch meinem Idealbild Frankreichs: Abwechslungsreiche Landschaften, mit spärlich verteilten kleinen Dörfern. In diesen meistens nur eine Bar oder ein kleines Restaurant. Frauen, Männern und Kinder bewegen sich Draußen und genießen die warmen Sonnenstrahlen aus dem blauen Himmel. Zum Mittagessen setzt man sich dann an die draußen gedeckten Tische und genießt bei gutem roten Wein ein einfaches Essen. Bei der Weiterfahrt spiegeln sich in der flimmernden Luft über der Straße die Erinnerungen an diesen letzten Ort und an die Lieben, die zu Hause versuchen, die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings einzufangen. Gegen Abend taucht die Landschaft dann in ein leicht dunstiges Blau ein und wir suchen uns einen schönen Platz zum Übernachten. Möglichst nicht zu weit vom nächsten Ort weg, damit für den kommenden Morgen der Weg zu frischen Croissants und einem Milchkaffee schon gesichert ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen